Centro Sociale: Fotoausstellung und FINISSAGE 12.11.22

 

20 Jahre Bambule „Leben wagen – Wagen Leben“ Fotoausstellung und Videoinstallation,
Finissage: 12.11.22 ab 14:37 Uhr

Protest - Räumung - Widerstand

Finissage: 12. November 2022 
Bilderversteigerung
Beginn: 14.37 Uhr
Special Guest: KATRIN BRANDT

Architektin und Geschäftsführerin der 1985 gegründeten alternativen Baubetreuungsgesellschaft STATTBAU

Die STATTBAU wurde von engagierten Menschen gegründet, um sanierten Wohnraum und gemeinschaftliche Bauprojekte für alternative Lebenskonzepte zu schaffen und stadtplanerisch eine sozialverträgliche Quartiersentwicklung voran zu treiben.

KATRIN wird die Kämpfe um die Bambule aus stadtplanerischer Sicht in Zeiten der Stadtentwicklung als profitorientiertes Unternehmen einordnen.

Ort: Centro Sociale
Sternstraße 2
20357 Hamburg

Veranstalter:in: Foto-Archiv-Kollektiv and Friends

https://asb.nadir.org




Ausstellungstext:
Die Räumung der Bambule
Vor 20 Jahren räumte die Hamburger Polizei den Wagenplatz Bambule. In den folgenden Monaten entwickelte sich eine langanhaltende und vielfältige Protestwelle. Entgegen den Absichten des damaligen Hamburger Senats gibt es immer noch Wagenplätze in der Stadt.
Die Bambule war nicht der erste Wagenplatz, der in Hamburg geräumt wurde. Aber der Anlass, der viele Proteste gegen den damaligen Senat aus CDU, Schill-Partei und FDP vereinte.

Nicht der erste geräumte Wagenplatz
Die Räumungen der Wagenplätze in der Schützenstraße und am Paciusweg verliefen 2002 ohne besondere Vorkommnisse. Am Paciusweg in Eimsbüttel entstand eine Tiefgarage auf deren Dach die Freiwillige Feuerwehr ihr Gerätehaus bekam. An der Kreuzung von Schützenstraße und Leverkusenstraße befindet sich heute immer noch eine Brachfläche, die als Hundeauslauffläche dient. Daran hat auch eine kurzzeitige Besetzung im Rahmen der Squatting Days 2014 nichts geändert.
1999 hatten SPD und GAL das Hamburger Wohnwagengesetz von 1958 grundlegend geändert, um den bestehenden Wagenplätzen der Stadt einen legalen Rahmen geben zu können. Die CDU war damals schon dagegen. Zusammen mit der Schill-Partei und der FDP übernahm sie 2001 den Senat und machte sich daran Wagenplätze abzuschaffen. Dafür ist wichtig zu wissen, dass es bei ihnen nicht nur um einen alternativen Lebensstil ging. Mit Van-Life oder den Tiny-Houses von heute hatten sie nichts zu tun. Sie waren aus der Autonomen Bewegung der 80er und 90er entstanden, um sich dem kapitalistischen Alltag aus Miete und Lohnarbeit zu entziehen.
Der Wagenplatz Bambule bestand seit 1993. Eine geplante Räumung im Winter 1994/1995 wurde nach militanten Interventionen nach Vermittlung des damaligen Innensenators abgesagt und immer wieder ausgesetzt. 2001 musste dann Messeerweiterung, fehlende Zahlungen für Miete, Strom oder Wasser sowie angeblich unhygienische Zustände als Begründung für die Räumung herhalten. Die Bereitschaft der Bewohner*innen entsprechende Verträge abzuschließen wurde ignoriert. Anstelle des Wagenplatzes sollten Kleingärten für Anwohner*innen im Karoviertel entstehen.

Die Räumung
Die Aktionswoche vor der angekündigten Räumung der Bambule ließ noch nicht erahnen, was sich ab dem 4. November 2002 in der Stadt ereignen sollte. Zur Abschlussdemo kamen etwa 600 Leute. Die Resonanz in den lokalen Medien war gering.
Trotz der zwei bisher ruhig verlaufenen Räumungen von Wagenplätzen, sichert ein großes Polizeiaufgebot am Morgen des 4. November das Karoviertel ab. Die verbliebenen Bewohner*innen der Bambule verlassen mit ihren Wagen "freiwillig" als Demonstration die Vorwerkstraße. Am frühen Nachmittag erreicht die Demonstration die Grindelallee. Hier versuchen überraschend einige Wagen auf das Gelände der Universität zu kommen. Mehreren gelingt es, die übrigen werden von der Polizei über Stunden gekesselt. Gegen Abend eskortierte die Polizei drei Fahrzeuge bis zur Stadtgrenze. Die übrigen wurden zur Sicherstellung nach Harburg gebracht. Unter Polizeibewachung durfte die Gruppe auf einem Industriegelände die Nacht verbringen. Am folgenden Tag werden die Wagen sichergestellt und die Leute vorläufig im Bezirksamt untergebracht.
Dieser Umgang sorgte für einen Aufschrei in der Stadt. Die Bambule verschaffte Wagenplätzen eine Aufmerksamkeit, die zu mehrmonatigen oder sogar mehrjährigen Protesten führen.

Die Protestwelle: Randale, Bambule, Hamburger Schule
Von kleinen und großen Demonstrationen, über Tuntenolympiade und Einkaufswagenrennen bis zum Laternenumzug und der Hamburger Olympiabewerbung: Die Räumung der Bambule sorgte über ein Jahr lang für Proteste.
Bereits am Abend der Räumung findet eine erste Spontandemonstration mit etwa 700 Leuten in Altona statt. Die Polizei, die an dem Tag bisher wenig zu tun hatte, setzt dabei unter anderem Wasserwerfer und Schlagstöcke ein.
Am 5. November 2002 folgen zwei weitere Demonstrationen. Eine kleinere mit etwa 150 Menschen kommt nur wenige Meter von Unigelände herunter und löst sich dann angesichts eines großen Polizeiaufgebots auf. Abends ziehen etwa 500 Leute vom Dammtor in Richtung Karoviertel.
Die Empörung flaut nicht ab. Am 6. November findet tagsüber eine Fahrraddemo statt und abends ziehen etwa 600 Menschen durch St. Pauli - inklusive Sachschäden an Polizeiwache und Einsatzfahrzeugen sowie Wasserwerfer- und Schlagstockeinsatz.
Die nächsten zwei Tage bleibt es ruhig. Am Samstag, den 9. November kommen aber bereits etwa 1500 Menschen zu einer Demonstration vom Schanzenviertel bis zur Feldstraße. Das Karoviertel ist durch ein großes Polizeiaufgebot gesichert.
Am 12. September kommen knapp 100 Leute zu einem Sleep-in in der Mönckebergstraße. Am 16. November wird es mit 4000 Menschen bei einer bundesweiten Demonstration voller. Nach dem Ende der Demo vertreibt die Polizei die herumstehende Menge mit Wasserwerfern und Schlagstöcken. Die Folge sind Verletze, vorläufige Fest- und Ingewahrsamnahmen sowie kaputte Scheiben und einige Barrikaden.
18. November, Montagsspiel vom FC St. Pauli in der 2. Bundesliga. Nach Abpfiff sammeln sich bis zu tausend Menschen zu einer Demonstration, werden aber von der Polizei angegriffen. Der Auftakt für weitere Proteste am Rande der Spiele im Millerntorstadion ist aber gelegt.
21. November: Laternenumzug mit mehreren Hundert Menschen ins Schanzenviertel sowie Meldung, dass am Wochenende zuvor Zivilpolizisten von Kollegen in Uniform zusammengeschlagen wurden, die ihnen nicht glauben wollten, dass sie auch Beamte sind.
Am 22. November ziehen knapp 1000 Menschen zur Nobelkneipe Wollenberg an der Alster. Es ist die Stammkneipe des Innensenators und seines Staatsrats. 1300 Polizisten passen auf sie auf.
Ohne großes Polizeiaufgebot kommt das Straßenfest und die Tuntenolympiade in der Vorwerkstraße vor dem ehemaligen Bambule-Gelände in der Vorwerkstraße am 24. November aus.
 Am 29. November leiten etwa 250 Menschen in Altona in Begleitung von 500 Cops das Demowochenende ein. Am 30. November folgt die nächste Großdemonstration gegen den Hamburger Senat mit etwa 4000 Leuten. Am Montagabend, 2. Dezember, folgt die nächste Demonstration nach einem Heimspiel des FC St. Pauli mit etwa 1500 Menschen.
Zu einer länger geplanten Demonstration von Gewerkschaften und Verbänden gegen die Senatspolitik kommen am 5. Dezember bis zu 10.000 Menschen.
Am 13. Dezember gehen etwa 600 Menschen nach dem Heimspiel des FC St. Pauli gegen den Senat auf die Straße. In der Waitzstraße in Othmarschen werden - unter Bezugnahme auf Bambule - fünf Banken entglast.
21. Dezember: Der letzte Samstag vor Weihnachten, doch statt Shopping ist Protest in der Innenstadt angesagt. 8000 Menschen wollen die "Regierung stürzen", so das Motto der Demonstration, die nicht durch, sondern nur um die Innenstadt herumziehen darf. Das hindert die Menschen nach ihrem Ende aber nicht daran in die City zu ziehen. Die überforderte Polizei nimmt 259 Personen fest oder in Gewahrsam.
Am 24., 25. und 26. Dezember sorgen drei kleinere Demonstrationen dafür, dass Bambule auch über die Weihnachtstage präsent bleibt.
Im neuen Jahr nimmt die Intensität der Proteste zwar etwas ab, aber ruhig wird es nicht:
Am 10. Januar 2003 findet ein Treffen statt, um mit Anwält*innen eine Strategie für das rechtliche Vorgehen gegen Polizeiübergriffe am 18. November nach dem Spiel von St. Pauli gegen Köln zu prüfen. 
Die weiteren Wintermonate sind geprägt von weiteren St. Pauli-Spielen oder Protesten am Rande des HeinGas-Winterzauber auf dem Heiligengeistfeld.
Zwei Video-Kundgebungen von Medienaktivist*innen von Indymedia bringen im Januar und Februar Bambule als Thema zurück in die Innenstadt. 
Zum Frühjahr werden die Proteste wieder größer. "Bambule durchsetzen - Regierung stürzen"-Demo am 1. März mit 2000 Menschen.
Die Proteste zeigen Wirkung. Es gibt ein Platzangebot für die Bambule durch die Stadt, trotzdem demonstrieren am 7. März wieder 1000 Menschen nach dem Fußballspiel durch St. Pauli.
Am 15. März besichtigen mehrere Hundert Leute einen möglichen Wagenplatz – begleitet von 1000 Polizisten und fünf Wasserwerfern.
Am 21. März folgt die nächste Demonstration nach einem Fußballspiel. 500 Leute und doppelt so viele Cops.
29. März: Kundgebung für Wagenplätze mit 500 Menschen und Aktionen in der Innenstadt.
4. April: "Bambule wird Olympisch" Einkaufswagenrennen, um die Olympiafähigkeit neuer Sportarten zu testen. Immerhin will Hamburg die Sportveranstaltung 2012 ausrichten.
Am 12. April heißt es dann "Bambule statt Olympia". Bis zu 3000 Menschen demonstrieren gegen monströse Sportereignisse und für Wagenplätze. Im Anschluss brandet auf dem Rathausmarkt in kleinen Gruppen Jubel auf, als Hamburg im deutschen Vorentscheid für die Olympiabewerbung rausfliegt.
In den folgenden Wochen und Monaten werden die Aktionen weniger und kleiner. Nehmen im September 2003 aber wieder zu. Am 6. September findet eine Open-Air-Radio-Party über FSK statt, bei der sich die Hörenden immer weiter zerstreuen und trotzdem zum großen Finale am Schulterblatt wieder zusammenkommen.
Am 27. September folgt eine Platzbesetzung in der Harkortstraße, die allerdings mit etwa 50 Festnahmen endet. Zwei Tage später folgt der Versuch einer Spontandemonstration, die allerdings von der Polizei nicht zugelassen wird und mit einem Kessel sowie weiteren Ingewahrsamnahmen endet.
Am 18. Oktober demonstrieren bis zu 2000 Menschen "Gegen jeden Senat!" (Ronald Schill ist nicht mehr Innensenator) und wollen "Bambule durchsetzen!". Die City bleibt aufgrund der unrealistischen Gefahrenprognose der Polizei tabu.
 Ein Jahr nach der Räumung, versuchen 500 Menschen sich in der Nähe des ehemaligen Bambule-Platzes zu versammeln. Die Polizei lässt dies aber nicht zu.
21. Dezember: Der letzte Samstag vor Weihnachten hat sich als Demo-Termin etabliert. Mindestens 2000 Leute sind für die Bambule auf der Straße und sorgen auch noch nach Ende der Demonstration für Bewegung in der Innenstadt.
15. Januar 2004: Etwa 15 Wohn-LKW werden auf dem Weg zur Baubehörde gestoppt. Sie können aber trotzdem noch ein Schriftstück der Europäischen Wagenbewegung von mehr als 40 Wagenplätzen übergeben.
Am 24. April versammeln sich unzählige Wagen frühmorgens auf der Hafenstraße und errichten einen temporären Wagenplatz. Trotz der Vielzahl der Fahrzeuge ist die Polizei von "Einmal im Leben pünktlich sein" überrascht und es dauert den ganzen Tag, bis sie einige Fahrzeuge aufgebrochen und alle Wagen weggefahren hat.

Bambule ist weg, Wagenplätze bleiben
2004 wurde es ruhiger um die Bambule. Dafür wurden die Räumungen weiterer Wagenplätze trotz der umfangreichen Proteste größer. Das Wendebecken in Barmbek wurde im September 2004 noch geräumt, die Henriette in Eimsbüttel aber nicht mehr – und dass, obwohl die CDU von 2004 bis 2008 alleine die Stadt regierte. Erst ab 2008 war die GAL als kleines Korrektiv mit in Regierungsverantwortung.
Im Laufe der Zeit sind sogar neue Wagenplätze in Hamburg entstanden. Der prominenteste dürfte Zomia im Schanzenviertel sein. Allerdings war bereits bei Bezug des Platzes klar, dass dieser für den Neubau der Sternbrücke wieder verlassen werden muss. Das ist derzeit für 2025 vorgesehen. Und auch bei einigen anderen, weniger bekannten Wagenplätzen ist die Zukunft derzeit unsicher. Der Mietvertrag der Wildwuchswelt in Altona läuft im April 2023 aus.

Der Kampf geht weiter
Die Bambule kam zwar nicht zurück und das Wendebecken wurde noch geräumt, aber mit großer Wahrscheinlichkeit hätten es die anderen Wagenplätze in Hamburg ohne die vielfältigen Proteste deutlich schwerer gehabt bis heute bestehen zu bleiben. Protest lohnt sich. Allerdings braucht es einen mobilisierenden Aufhänger. Gegen den damaligen Innensenator Schill wurde bereits vor der Wahl im September 2001 protestiert, aber erst mit der Räumung der Bambule wurden die Proteste groß und verschiedene Spektren fanden zusammen und blieben nicht mehr für sich - obwohl Wagenplätze eigentlich als Nischenthema erscheinen.
Das Durchhalten hat sich gelohnt. Auch wenn Schill sich am Ende mit seinem Verhalten gegenüber seinen Koalitionspartnern selbst ins Aus bugsiert hat. Und auch nach 20 Jahren kann man sich nicht ausruhen. Die Wagenplätze bestehen zwar weiterhin, aber der konservative Backlash der Gesellschaft rollt auf vielen anderen Ebenen.


 

Bambule Begrüßung:

Hallo, wir begrüßen alle Freund:innen und Gäste am heutigen Abend. Wir bedanken uns ganz herzlich beim Centro und allen Gruppen, die die Ausstellung mittragen.


Unser Ablaufplan: nach der Begrüßung werden H. und B. ein kurzes Statement zu den Bildern, und wer wir sind, abgeben.

UND Dann kommt der Chor

Bambule,
gestern vor 20 Jahren begann die Räumung des Bauwagenplatzes BAMBULE.

Gegen die Räumung entwickelten sich sehr schnell Proteste gegen die Stadtregierung aus CDU, FDP und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive.

Losgetreten wurde eine Bewegung, die in 300 Tagen mehr als 180 Protest- Kultur- und Straßenaktionen umsetzte.
Der Protest wurde von vielen Foto-/Filmdokumentarist:innen visuell eingefangen.

Die hier zu sehende Auswahl aus mehr als 3.000 Bildern und mehr als 30 Stunden Filmmaterial spiegelt die Stimmung auf den Aktionen und die Vielfältigkeit/Pluralität des Protestes und Widerstandes.
An dieser Stelle sei allen Aktiven gedankt für die Bereitschaft „Ihr“ Material zur Verfügung zu stellen.

Wie war die Situation – ein Teileinblick
6 der Bauwagenplätze in Hamburg hatten Verträge, davor waren vom SPD-Grünen Senat mehrere Bauwagenplätze gegen „Hausprojekte für Familien“ ausgespielt worden – Gentrifizierung war das Schlagwort der Stunde.
Bis heute gibt es in Hamburg keine rechtliche Grundlage für den dauerhaften Bestand von Bauwagenplätzen. Obwohl stadtplanerisch in Hamburg-Barmbek in das Neubaugebiet des Pergolenviertel ein Bauwagenplatz 2015 mit eingeplant wurde – erwartbar zu denkbar schlechten Bedingungen, da die Baubehörde die Pläne unter ihrer Ägide hatte, gibt es kein politisches Zugeständnis eines Hamburger Senat auf dauerhaften Bestand für Bauwagenplätze.

Der Anfang
Nach unserer Recherche wurde 1993 der Bauwagenplatz Bambule im Vorwerkstift/Karoviertel eingerichtet, da die von der Stadt neu gegründete Stadtentwicklungsgesellschaft STEG (mittlerweile privatrechtlich) als Befriedungsprojekt der Stadt Hamburg keine Ersatzwohnungen für die zu sanierende Markststr. 107 im Karoviertel zur Verfügung stellen konnte.
Schnell erließ dafür der SPD-geführte Senat ein Gesetz, dass es Bauwagenplätzen in Hamburg möglich machte, befristet zugelassen zu werden.
Da die Bewohner:innen nicht nur Sanierungsobjekte der STEG, sondern auch eigenständig politisch denkende und handelnde Menschen waren, entwickelte sich der Bauwagenplatz zum Lebensraum und Gegenkonzept herkömmlicher Wohnverhältnisse. Sie waren Teil einer emanzipatorischen Linken, die „alternativ“ zu den herrschenden neoliberalen Marktradikalisierungskonzepten leben wollten.
Das Recht auf Wohnen wurde bewusst für Bauwagenplätze eingefordert.

Die Entwicklung 2002
Unbearbeitete Ressentiments und Verharmlosung der „rechten Gefahr“ durch die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft machten den politischen Aufstieg eines, hauptsächlich durch die bürgerlichen Medien skandalisierten, rechtspopulistischen Amtsrichter namens Roland Barnabas Schill möglich.
Im Herbst 2002 wählten mehr als 20% der Bürger:innen die Rechtsstaatliche Offensive mit Schill als Aushängeschild. Die bürgerliche konservative Mitte (CDU) verlor Stimmen und hatte nichts Besseres zu tun, als mit der Rechten Rechtsstaatlichen Offensive und der FDP regieren zu wollen.
Schill kündigte an, alle Bauwagenplätze in seiner Amtszeit als Hamburger Innensenator räumen lassen zu wollen. Somit war klar, dass es unter diesem Senat zu großen sozialen Einschnitten kommen würde und dass alle Bauwagenplätze in Hamburg von Räumung bedroht waren.
Grundlage war der Gesetzestext des rot-grünen Senat zum Wohnen und Leben in Bauwägen in Hamburg, der sich dadurch auszeichnete, so schwammig zu sein, dass Rechtspopulisten damit Politik machen konnten. Somit konnten weiterhin die Bauwagenplätze mit Repression und Zwangsmaßnahmen überzogen und, je nach politischer Stimmung, geräumt werden.
Die Konsequenz
Als Erstes traf es den Bauwagenplatz Bambule, der per Verfügung am 4.11.2002 geräumt werden sollte. Die Bewohner:innen der Bambule verließen friedlich den Platz im Vorwerkstift, aber mit der Forderung einen alternativen sozial nahen neuen Standort beziehen zu können. Sie seien nicht aus der Welt und hätten, wie alle Menschen, ein Anrecht auf Wohnen.

Die Antwort

Autonom, frei und gemeinsam, ungezwungen, kollektiv und radikal formierte sich der Widerstand auf allen Ebenen der linken und kulturellen politischen Öffentlichkeit – weit ins liberale Lager hinein. Der Widerstand gipfelte in mehr als 180 Aktionen in 300 Tagen: bunte kraftvolle Proteste, Demonstrationen, Kundgebungen, Streetfußball-Tunieren, Militanz, Einkaufswagenrennen, Videoscreenings, Blockaden und Fluten der Innenstadt zum bürgerlichsten aller Unterwerfungsfesten: Weihnachten.

Auch aus diesen Protesten ist das Centro Sociale 2008 mit hervorgegangen.

Die Innenbehörde, der Staatsschutz und der Hamburger Verfassungsschutz lieferten die Gefahrenprognosen für einen martialischen gewaltvollen Knüppel- und Repressionsapparat, der jeden Widerstand mit brutalster Gewalt ersticken wollte. Das Filmmaterial legt davon Zeugnis ab.

Die Auswahl der Exponate der Ausstellung zeigen ganz bewußt den linken politisch-aktivistischen Teil der Auseinandersetzung.

In diesem Klima fehlender solidarischer Ethik, rechter Ressentiments, der Machtgelüste konservativer bürgerlicher Bünde konnte Schill, ein reaktionärer Amtsrichter, politische Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen bis heute spürbar sind.

Am Ende war der Erfolg doch auf unserer Seite: der Rechtspopulist Schill musste seinen Platz räumen und das Regierungsbündnis platzte. 2004 gewann die CDU, 2008 kam schwarz-grün. Danach rot/rot-grün ….undsooooweiterr.

Hier sei noch mal daran erinnert: Bis heute gibt es in Hamburg keine rechtliche Grundlage für den dauerhaften Bestand von Bauwagenplätzen.
Das gilt es weiterhin durch zu setzen.


An dieser Stelle und zum Schluss begrüßen wir „den Chor“, über dessen Zusage, hier zu brillieren, wir uns sehr gefreut haben.
Danke für Eure Aufmerksamkeit

 

Samstag, 12. 11.2022 ab 14.37 Uhr
Centro Sociale,
Sternstr. 2